Hallo ihr, ich bin Ella und befinde mich nun schon seit knapp drei Wochen, seit Anfang Februar, bei meiner Gastfamilie im sonnigen Sevilla in Spanien. Hier werde ich bis zum Sommer, also bis zum Ende des Schuljahres, mit dem Programm von Kulturwerke Deutschland bleiben und natürlich in dieser Zeit die Schule auch besuchen.
Mein allererster Schultag in meiner neuen Schule war gleich zwei Tage nach meiner Anreise am Samstag.
Aufgrund meines Alters (17 Jahre) und meiner Spanischkenntnisse und Wünsche, wurde ich an meiner Schule, der IES Miguel Servet, in den Jahrgang des 1° Bachillerato (in etwa so etwas wie das Abitur in Deutschland) aufgenommen.
Obwohl es alle Schulformen als Privatschulen und als öffentliche Schulen gibt, unterscheiden sich diese im Stoff nicht unbedingt, außer dass vor allem der Englischunterricht in den privaten Schulen intensiver ist als in den Öffentlichen. Circa 30 Prozent der Schüler*innen besuchen Privatschulen.
In Spanien ist es üblich, dass Kinder ab dem Alter von etwa drei Jahren die Vorschule besuchen, was hier als educación infantil bezeichnet wird. Mit sechs gehen die Kinder dann in die „richtige“ Schule, wozu sie, bis sie 16 Jahre alt sind, auch verpflichtet sind.
Die ersten Jahre dieser educación primaria (primären Bildung) umfassen neben Rechnen, Lesen und Schreiben auch eine Fremdsprache. In Andalusien (wo sich Sevilla befindet) ist Französisch ein Pflichtfach.
In der darauffolgenden educación secundaria obligatoria (kurz: ESO und auf Deutsch: sekundäre verpflichtende Bildung), die der deutschen Mittelstufe entspricht, werden innerhalb von vier Jahren grundlegende Kenntnisse für das Berufsleben vermittelt und die Schüler auf die weiterführende Oberstufe vorbereitet, womit wir wieder beim Begriff Bachillerato angekommen wären.
Im Bachillerato können alle Lernenden zwischen groben Ausrichtungen (künstlerischen, technologischen, naturwissenschaftlichen und sozialwissenschaftlichen) auswählen, die sie die nächsten zwei Jahre vertiefen und dadurch ihre berufliche Zukunft entscheiden werden. In jedem dieser Bereiche können die Schüler*innen dann weitere Fächer wählen, wozu beispielsweise Latein und Griechisch zu einen Bereich und Anatomie, technisches Zeichnen und Informatik zu einen anderen Bereich gehören. Neben typischen Fächern wie Mathematik, Biologie, Physik, Sprachen wie Englisch und Französisch, Geschichte und Chemie gibt es also noch einiges mehr.
Ich hatte mich bereits im Voraus für den naturwissenschaftlichen Zweig entschieden, weswegen ich im Moment neben den Pflichtfächern Philosophie, Spanische Literatur und Sprache, katholische Religion und Werte, Sport und Französisch auch Mathe, Physik und Chemie, Informatik, Anatomie und Biologie und Geologie habe. Diesen Stundenplan teile ich mit meiner Klasse, der 1° D - Sciencias. Allerdings nur zum Teil, da die circa 25 Schüler und Schülerinnen meiner Klasse zwar wie die 1° C, unsere Parallelklasse, alle den naturwissenschaftlichen Bereich gewählt haben, sich aber dennoch sehr individuell für die Wahlfächer begeistern lassen, wodurch man in vielen Kursen unterschiedliche Leute kennenlernen kann.
Mit meinen 17 Jahren bin ich aus dem Jahrgang 2004 insgesamt ein bisschen älter als meine meisten Klassenkameraden, die fast alle Jahrgang 2005 sind.
Anders als in Deutschland ist das Schuljahr hier in Trimester unterteilt und nicht in Halbjahre. Die Schüler*innen haben drei Chancen, um alle Kurse mit mindestens fünf von zehn möglichen Punkten zu bestehen, um am Ende des 2° Bachillerato ihr Abschlusszeugnis zu erhalten, was sie zur Universität zulässt. Diese Punkte können sie unter anderem durch aktive Mitarbeit im Unterricht, gute (und natürlich rechtzeitige) Abgaben von gestellten Aufgaben und Klausuren- und Testergebnisse erreichen. Gearbeitet wird dabei meistens mit Google Drive oder zwei Internetseiten, auf denen Lernende und Lehrende Accounts erstellen können. Die einzelnen Zeugnisnoten der beiden Jahrgänge des Bachillerato stellen auch einen Großteil der Grundlage für das Abschlusszeugnis, also quasi das Abitur dar. Der andere Teil besteht aus der Note der Abschlussklausuren, die in fast allen Fächern geschrieben werden kann.
Insgesamt haben Klausuren in Spanien etwa den gleichen Stellenwert wie in Deutschland. Jedoch können die Lehrer*innen selbst entscheiden, ob sie lieber eine große Klausur am Ende eines großen Blocks stellen möchten oder sich für mehrere kleinere Klausuren entscheiden. Das führt natürlich dazu, dass (gefühlt zumindest) vieeeel mehr Klausuren geschrieben werden als in Deutschland.
Für die Klausuren, die teilweise auf der Onlineplattform der Schule stattfinden, haben Schüler*innen meist eine Stunde, also 60 Minuten Zeit.
Anders als in meiner Schule in Deutschland, ist jede Stunde hier 15 Minuten länger (also wirklich eine Stunde und nicht 45 Minuten). Die Mittags-/Frühstückspause findet von 11:15 bis 11:45 nach drei Stunden Unterricht, welcher um 8:15 Uhr beginnt, statt und wird von drei weiteren Stunden bis 14:45 Uhr jeden Tag gefolgt. Der Schulbeginn unterscheidet sich allerdings individuell in jeder Schule. Meine beginnt wie gesagt um viertel nach acht, während die meiner Gastschwester beispielsweise um 8:30 Uhr beginnt und resultierend auch eine Viertelstunde später endet.
Abgesehen vom späteren Schulbeginn ist auch der Lehrer-Schüler-Umgang ein anderer als der, den ich in Deutschland gewöhnt bin. Zum einen stellen Lehrer*innen sich selbst mit Vornamen vor, die auch benutzt werden dürfen. Zudem werden sie auch nicht mit dem spanischen Äquivalent zum Siezen angeredet (was hier allerdings eh nicht so populär ist wie in Deutschland). Zum anderen werden Lehrende bei Fragen mit professor/professora angesprochen und meist nicht direkt mit ihrem Namen, was vor allem zu Beginn eine ganz schöne Umstellung war.
Eine andere große Umstellung war, dass es Schüler*innen unter 18 Jahren nicht erlaubt ist, dass Schulgelände aus einem anderen Grund als Krankheit (und dann auch nur in Begleitung eines Erwachsenen) in der Schulzeit zu verlassen, auch, wenn mehrere Stunden ausfallen. Das ist in meiner deutschen Schule erlaubt. Außerdem werden die Tore der Schule, die komplett umzäunt ist, um 8:15 Uhr ab- und erst zum Schulende um 14:45 wieder aufgeschlossen.
Ich hoffe, ich konnte euch hiermit einen kleinen Überblick in das spanische Schulsystem verschaffen und habe euch nicht zu sehr verwirrt. Es klingt am Anfang nach unglaublich viel, man gewöhnt sich aber extrem schnell an alles, wenn man offen dafür ist.
Falls euch mein Bericht auch Lust gemacht (oder sie weiter verstärkt hat), euch selbst in das Abenteuer Auslandsjahr zu stürzen, dann meldet euch doch einfach bei dem Team von Kulturwerke. Die helfen euch super gerne weiter und vielleicht erlebt ihr auch schon bald euer eigenes (Halb-)Jahr im Bachillerato oder der ESO. Falls ihr euch lieber noch weiter umgucken wollt, könnt ihr gerne auch noch weitere Artikel von anderen Austauschschülern (oder auch von mir) lesen.